Deru – Atmosphäre und Sound

von Markus Thiel

Benjamin Wynn aka Deru überrascht mit einer außergewöhnlichen Herangehensweise an die Ausgestaltung klanglicher Landschaften und dichter Texturen, mit denen er seine Zuhörer in eigene musikalische Welten entführt. Abgesehen von einer Karriere in der Elektronischen Musik hat er sich auch als Komponist und Sounddesigner für zahlreiche TV-Serien und Filme wie etwa Avatar: Der Herr der Elemente oder Kung Fu Panda: Legenden mit Fell und Fu verdient gemacht, was ihm in letzterem Fall sogar eine Emmy-Nominierung einbrachte. Wir haben mit Ben über Tools, Techniken und persönliche Einflüsse gesprochen.

Wer oder was gab bei dir den Ausschlag Musiker zu werden?

In der Grundschule spielte ich Trompete und Klavier, aber eine echte Leidenschaft zur Musik entwickelte ich erst in der 8. Klasse als ich mir Plattenspieler besorgte und begann als DJ aufzulegen. Sowohl die Technik als auch die Ästhetik von Musik hatten mich gleichermaßen in ihren Bann gezogen und schließlich entwickelte sich darüber auch der Wunsch meine eigene Musik zu machen. Ab dem Moment, in dem ich meinen ersten Sampler, eine Akai MPC2000 bekam, war dann spätestens alles klar. Die Möglichkeiten Sounds zu transformieren und sei es nur durch Pitching oder Filtereffekte waren einfach atemberaubend. Die Passion mit Klängen zu spielen und sie zu transformieren hat mich seitdem nicht mehr losgelassen.

Bevor ich zur Musik fand, beschäftigte ich mich eingehend mit Fotografie. Das Erschaffen eigener Songs fühle sich für mich ähnlich an wie die Entwicklung eines Fotos und das anschließende Aufhängen des jeweiligen Abzugs. In der Lage zu sein, ein Material zu verändern fühlte sich mehr nach Kunst an als ein Instrument in einer Band oder einem Orchester zu spielen. Ich konnte alle Entscheidungen in völliger Unabhängigkeit von anderen treffen.

Kannst du uns deine Entwicklung als Musiker und Künstler aus deiner Sicht beschreiben?

Meine erste Leidenschaft für Musik entdeckte ich über den Hip-Hop, kurze Zeit später fand ich dann heraus, wie man mit der Hilfe von Technologie Klänge manipuliert und Musik schreiben kann. Diese Passion entwickelte sich in dem Moment weiter, als ich realisierte, dass es möglich war Elektronische Musik zu studieren und so endete das Ganze schließlich damit, dass ich darin meinen Abschuss am California Institute of The Arts machte. Diese Umgebung eröffnete mir so viele unterschiedliche Musikstile und Denkrichtungen – von so viel Kunst und Musik umgeben zu sein war eine Erfahrung, die man gar nicht hoch genug schätzen kann. Ich tauchte tief in die Elektronische Musik ein und von da aus letztlich auch in alle möglichen Arten von Musik. Während dieser Zeit schrieb ich dann auch eine Sammlung an Stücken aus denen letztlich mein erstes Deru-Album wurde. Nach dem Studium widmete ich mich dem Schreiben von Filmmusik und arbeite seitdem eigentlich durchgehend an TV- und Film-Projekten. Dabei strebe ich bei meiner Arbeit eine ausgewogene Balance zwischen Teamwork bei großen Projekten und meinem inneren persönlichen Fokus auf meine Ideen an.

Woher nimmst du die Inspiration für Deru?

Das ist wirklich eine schwierige Frage, da mich bis zum heutigen Tag bereits so viele Dinge inspiriert und beeinflusst haben, aber ich könnte ein paar herausstellen: Meine Liebe für Sound und Texturen und vor allem den Spaß, den ich dabei empfinde wenn ich diese Dinge beeinflussen kann.Schönheit gemischt mit einer Prise Traurigkeit. Ich habe gelernt, dass das Wort Nostalgie vom griechischen Wort für Zuhause und Schmerz abgeleitet wird – diese Vorstellung finde ich wunderschön. Eine andere Antwort auf diese Frage beinhaltet eine Liste mit essentiellen und wegweisenden Aufnahmen und Künstlern wie: Frühe DJ Krush-Alben, Bjørks Homogenic (und Mark Bells Produktion des Albums), Acelayones Book of Human Language, Steve Reich, David Lang, John Luther Adams, Speedy Js A Shocking Hobby, Beth Gibbons und Rustin Man und natürlich Goreckis Nummer 3.

Kannst du deine einzigartige Herangehensweise an die Komposition sowie das Modellieren von Sounds und Scapes beschreiben?

Ich bin mir nicht sicher wie einzigartig es ist, aber was mich besonders interessiert ist der Punkt, an dem sich Technologie und menschliche Emotion begegnen. Wenn ich also Sounds designe oder Musik für einzelne Instrumente schreibe, denke ich eigentlich immer daran was es emotional mit mir macht und wohin und wie ich es schließlich transportieren kann. Technische Ideen sind lediglich ein Mittel, welches mich an interessante Klangorte bringt. Ab einem gewissen Punkt übernehmen dann einfach die Emotionen, die ich vermitteln möchte.

Das ist eine interessante Sichtweise, im Besonderen in einer Ära in welcher die Technologie jeglichen Aspekt und jede Nische des menschlichen Lebens zu übernehmen scheint. Wie wichtig sind Werkzeuge für dich? Versuchst du dich aktiv in den Mitteln zu beschränken?

Dies ist wirklich ein großes Thema für mich. Auf der einen Seite kann ich die Auffassung unterschreiben, dass ein tiefgreifendes Wissen über wenige Tools hilfreicher ist, als ein oberflächliches Wissen über viele. Auf der anderen Seite haben unterschiedliche Werkzeuge aber auch einen grundlegenden Einfluss auf den Arbeitsprozess und produzieren so natürlich auch andere Ergebnisse, was nicht selten von Vorteil sein kann.

Ich versuche mich dabei auf einer feinen Linie zwischen diesen beiden Extremen zu bewegen. Ich verbringe viel Zeit damit den Umgang mit neuen Tools zu lernen, aber ich versuche mich auch immer wieder daran zu erinnern, dass Werkzeuge noch nicht das Ergebnis, sondern lediglich der Weg dorthin sind. Ich beschäftige mich viel mit komplexen Tools wie etwa Max/MSP, Live-Coding-Sprachen, Modularen Synthesizern und so weiter, und dies in erster Linie deshalb, da es mir ermöglicht Dinge zu realisieren, die ohne sie einfach nicht umsetzbar wären. Ich versuche mir auf diesem Weg zudem immer das einfachste Werkzeug auszusuchen, welches mich am schnellsten zum gewünschten Ergebnis führt. Manchmal kann das dann eben auch mal bedeuten, dass ich ein halbes Jahr mit dem Lernen einer Programmiersprache verbringe, natürlich verbunden mit der Hoffnung, dass das Endergebnis den Aufwand wirklich wert ist und nur auf diesem Weg zu Stande kommen konnte.

Ich staune oft über die große Anzahl großartiger Tools, die heutzutage so veröffentlicht wird. Die Herausforderung besteht dabei nicht darin, noch mehr leistungsfähige Werkzeuge zu finden, sondern zu entscheiden, auf welche man sich davon beschränken möchte.

Auf welche Tools verlässt du dich bei deinen Produktionen?

Die Einzelsoftware, die ich am meisten einsetze, ist Cubase Pro. Ich benutze diese Software genau wie Nuendo bereits seit langer Zeit, was es mir ermöglicht, mit dieser Lösung ungemein schnell arbeiten zu können. Durch die vielfältigen Anpassungsmöglichkeiten wie etwa die integrierten Tastaturbefehle lassen sich sämtliche Funktionen im Handumdrehen aufrufen. Es frustriert mich, wenn mich Tools durch Ineffizienz behindern oder ausbremsen, das ist etwas, was mir mit Cubase eigentlich niemals passiert.

Als nächstes in der Reihe folgen einige PlugIns, die ich des Öfteren einsetze. Ganz oben stehen dabei Sachen wie UVI Falcon, die meisten FabFilter PlugIns, Cypher2, Kontakt, Reaktor, Unfiltered Audio, Melda Productions und UAD-PlugIns. Danach kommt für mich Max/MSP sowie die Echtzeitprogrammiersprache Tidal Cycles, die ich aktuell lerne. Ableton Live setze ich für Zuspieler und Entwürfe ein, dazu beschäftige ich mich mit Monome Norns, womit ich einige Patches auf der Basis von SuperCollider und Lua auf einem kleinen Hardwaregerät vereine. Darüber hinaus verwende ich tonnenweise unterschiedlichster PlugIns für eine Menge verschiedener Anwendungen.

Was steht bei dir als nächstes an? Wohin geht es mit Deru von hier aus?

Ich arbeite jetzt schon bereits ein bis zwei Jahre an einem Klavieralbum für Yamaha Disklavier – ein akustisches Klavier, dass sich über einen Computer spielen lässt. Ich habe bereits eigene Sequenzer gebaut und experimentiere mit unterschiedlichen Programmier- und Spieltechniken. Die meisten Sequenzer baue ich in Max/MSP, aber ich arbeite mich auch weiter in ein paar textbasierte Echtzeit-Programmiersprachen hinein. Eine davon nennt sich Gibberwocky und lässt sich mit sehr wenig Aufwand in Max/MSP integrieren. Die andere heißt Tidal Cycles – ein wirklich mächtiges, schnelles und effizientes Tool, wenn es darum geht komplexe Rhythmen zu verwirklichen. Tidal Cycles setze ich auch auf meinem Pianoalbum ein, aber noch mehr innerhalb eines weiteren Projekts, bei dem es um Rhythmen und Drums geht. Das Piano-Album wird komplett akustisch sein und vor allem sehr ruhig und eher nachdenklich. Das Beat-Album hingegen wird in eine völlig andere und extremere Richtung gehen: elektronisch, verzerrt und sehr basslastig.

Cubase hat für beide Projekte wieder einmal als flexibles Werkzeug bewiesen. Ich bin in der Lage das komplette MIDI-Multichannel-Material für die Aufnahme durch Cubase zu schicken und später zu editieren. Es fungiert auch als Hub für mein Audio-Routing, Aufnahme, Mix und Editing. Die Software ist ungemein flexibel, wenn es darum geht detailreiche Kompositionen zum Bewegtbild anzufertigen, als Audio- und MIDI-Hub für Recording und Editing – und ich kenne keine vergleichbare Software, welche sich in der Disziplin Multichannel-MIDI auch nur ansatzweise so gut schlägt.

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