25 Jahre WaveLab – eine Zeitreise

Philippe Goutier, WaveLab-Erfinder und Entwickler aus Frankreich, kreierte die erste WaveLab Version Mitte der 1990er Jahre. Noch heute ist er an der Entwicklung beteiligt und arbeitet eng mit dem WaveLab Team von Steinberg zusammen. Woher Philippes Enthusiasmus kommt und warum WaveLab noch immer die populärste Mastering-Plattform ist, erzählt er uns im Interview.

Philippe, hast du schon immer ein Interesse an Audiothemen gehabt?

Grundsätzlich ja, denn ich war bereits als Teenager sehr audiophil veranlagt. Mein erstes Equipment war ein Grundig Röhrenradio und ein Grundig Kassettenrecorder. Ich fing also gewissermaßen mit deutscher Audiohardware an! Die Geräte klangen warm, einfach phantastisch. Ich habe dann Physik studiert und einen Abschluss in Quantenmechanik gemacht, also gewissermaßen auch mit „Wellen“ zu tun gehabt. Heute versuche ich einem gesunden Lebensstil zu folgen und lebe in einer naturbetonten Umgebung hier in Frankreich, denn ich habe schließlich immer von zu Hause gearbeitet. Neben Audio und Computern interessiere ich mich auch für Themen wie Wissenschaft, Psychologie, Metaphysik, Meditation, Kino – und meinen Garten.

WaveLab 1.0 wurde vor 25 Jahren veröffentlicht. Wann hast du mit der Entwicklung erstmalig begonnen?

Das war Anfang 1994. Bis dahin hatte ich bereits verschiedene Softwareprogramme zur Kontrolle von Synthesizern geschrieben, darunter auch „Synthworks“, das von Steinberg für den Atari veröffentlicht wurde. Aber in den frühen 90ern gab es einen weiteren Trend: Audio-Sampler wurden leitungsfähiger, günstiger in der Anschaffung und sogar populärer als Synthesizer, deren Verkaufszahlen zurück gingen. Das brachte mich auf die Idee, einen „Audio-Sample-Editor“ zu entwickeln. Allerdings war dieses Thema komplett neu für mich, ebenso wie eine Programmiersprache, die sich zu einem Standard zu entwickeln schien: C++. Gleichzeitig stellte Microsoft das neue Betriebssystem Windows 95 vor, das als erste Applikation von Microsoft in 32 Bit angelegt war.

Der Auftrag war also ganz einfach: ein komplett neues Programm, in einer neuen Audio-Domäne, auf einem neuen Betriebssystem, in einer neuen Programmiersprache zu schreiben! Es waren aufregende Zeiten, denn Alles stand am Anfang.

Wie bist du auf die Idee gekommen, aus WaveLab eine Mastering-Software zu machen? Gab es die Marktanforderung oder haben dich Inhaber von Studios angesprochen?

WaveLab war zunächst keine „Mastering Applikation“, denn das Thema Mastering war 1994 noch bei weitem nicht so populär wie heute. Doch die Verfügbarkeit von kostengünstigen CD-Brennern sollte bald alles ändern: jeder Musiker, egal ob Hobbyist oder Profi, wollte die eigene CD produzieren und die eigenen Alben mastern. Dafür bedurfte es einer Masteringsoftware, mit der man gut klingende CDs produzieren konnte – WaveLab 2.0 war geboren.

Die Entwicklung hin zu einer Mastering-Software war also tatsächlich getrieben von der technischen Innovation des Marktes – und natürlich meiner Begeisterung für Audiothemen. Das hat gut zusammengepasst. Wie John Lennon es mal ausdrückte: Leben ist, was passiert, während du andere Pläne schmiedest. WaveLab war ursprünglich als Sample-Editor gedacht, was heute eher eine Nebenfunktion ist. Grundsätzlich denke ich, dass man im Leben auf sein Gefühl vertrauen sollte.

Was ist die größte Herausforderung, wenn man etwas komplett Neues entwickelt?

Ein wichtiger Aspekt in der Softwareentwicklung ist das Zeitmanagement. Programmierer sollten daher das Pareto Prinzip im Auge behalten: 80% der Ergebnisse können in 20% der Zeit erreicht werden, während man für die verbleibenden 20%, 80% der veranschlagten Zeit berücksichtigen sollte. Übersetzt in die Softwareentwicklung bedeutet das, dass nach einem ersten Entwicklungsschritt oft irrtümlich angenommen wird, das Ziel sei fast erreicht. Es wird aber noch 80% der Zeit dauern, die Applikation fertig zu stellen. Das passiert, wenn man innerlich sehr enthusiastisch an neuen Funktionen arbeitet, mit der Zeit aber erkennt, dass es noch lange dauern wird, bis das Produkt wirklich funktioniert. Das ist vor allem heutzutage so, denn die Programme werden immer größer und es gibt viele Dinge zu berücksichtigen; das reicht von externen Ecosystemen bis zur Supportfrage.

Eine weitere Herausforderung – man mag es kaum glauben – ist die Aufgabe, einen geeigneten Namen zu finden. Und der sollte so früh wie möglich feststehen, denn darauf kann viel in der Software aufbauen. Als ich WaveLab 3.0 entwickelte, wollte ich für einen Teilbereich der Software keinen generischen Namen wie „Projekt“ verwenden. Ich habe drei Tage in meinem Garten gesessen und gegrübelt, welcher Name passend ist. Und siehe da: die Audio-Montage!

Was ist dir als Highlight der letzten 25 Jahre im Kopf geblieben?

Nach der Veröffentlichung von WaveLab 6, welche eine gute Version war, hatte ich keine klare Vorstellung davon, wie WaveLab 7 aussehen wird. Als ich aber im Januar 2006 während eines Urlaubs in den USA die NAMM Show in Kalifornien besuchte, habe ich realisiert, wie wichtig die Mac Plattform für viele Anwender ist.

Natürlich gab es schon damals vereinzelt Anfragen nach einer Mac-Version von WaveLab, aber dieser Besuch war absolut prägend für mich. Zurück in Frankreich setzte ich mir ein ehrgeiziges Ziel: WaveLab 7 sollte für PC und Mac sein. So machte ich mich an die Arbeit und 2010 wurde WaveLab 7 für beide Plattformen veröffentlicht.

Wir sind nun bei “Nummer 10“! WaveLab wurde in den Jahren bedeutend erweitert und verbessert. Welche Version war für dich die größte Herausforderung in der Entwicklung?

WaveLab 3 war eine große Herausforderung, vor allem durch das bereits erwähnte Audio Montage Feature, welches ein sehr wichtiger kreativer Schritt für WaveLab war. Die anfangs nur recht vage Vorstellung von diesem Programmbereich entwickelte sich mit der Zeit kontinuierlich weiter. Heute ist die Audio Montage der vermutlich am meisten genutzte Programmbereich in WaveLab.

In Bezug auf Herausforderungen stellte WaveLab 7 allerdings alles andere in den Schatten! Um die Mac-Version zu kreieren, mussten 12 Jahre Windows Code transformiert werden. Und ich musste auch erstmal „Mac“ lernen. Gleichzeitig wollten natürlich auch die Nutzer der Windows Plattform neue Features mit Version 7 bekommen.

All das wollte ich in weniger als 3 Jahren erreichen, damit unsere Kunden nicht zu lange auf eine neue Version warten mussten. Tatsächlich hat es über 4 Jahre gedauert und es war teilweise wirklich sehr schwierig und herausfordernd. Ich kann mich noch erinnern, dass ich nach 18 Monaten mal nach einer Betaversion von 7 gefragt wurde, was natürlich weit weg von der Realität war.

Glücklicherweise war die Version 6 sehr stabil und so verziehen die Nutzer die lange Wartezeit.

Hast du eine „Lieblingsfunktion“ in WaveLab?

Ich mag die Stapelbearbeitung, denn sie ist schnell, sehr flexibel und extrem leistungsfähig. Ich denke es gibt heutzutage keine Alternative, die nur annähernd so umfangreich ist. Es gibt Unternehmen, die bearbeiten mit diesem Tool tausende Audiodateien – am Tag.

Darüber hinaus hat WaveLab denke ich viele weitere Funktionen, die man so nicht in anderen Applikationen findet. Ich finde das Synonym „Schweizer Taschenmesser für Audio“ daher sehr passend.

Und zum Schluss: vielleicht ein kleiner Ausblick auf 11?

Ich denke WaveLab ist der beste Stereo-Editor am Markt – aber nun kommt endlich die Zeit von Multichannel! Auch Themen wie Podcasting und Videointegration werden häufig angefragt.

Natürlich wird auch das bisherige Stereo Editing und Mastering weiterentwickelt und Kundenanfragen berücksichtigt. Da sind viele Dinge in der Pipeline. Es wird definitiv spannend!